Chronische Urtikaria: Behandlung mit mehreren Ansätzen
Die chronische Urtikaria (Nesselsucht) stellt für die Schulmedizin und deren Therapiemethoden nach wie vor eine große Herausforderung dar. Auch die Naturheilkunde hat keine Behandlungsform in petto, die jedem Patienten gleichermaßen hilft. Schlüssel zum Erfolg: Auf den Patienten zugeschnittene Therapiekonzepte, bei denen zwar die Haut behandelt wird, aber auch andere Parameter wie Psyche, Seelenleben und individuelle Lebenssituation Beachtung finden. Die landläufige Annahme, dass eine Urtikaria meist aus einer Lebensmittel-Unverträglichkeit resultiert, stimmt dagegen allenfalls bei akuter Nesselsucht.
Eines der charakteristischsten und faszinierendsten Merkmale des Heilpraktikerberufs besteht meiner Meinung nach darin, immer wieder mal Patienten behandeln zu dürfen, die schulmedizinisch als austherapiert gelten. Gibt es etwas Erfüllenderes, als gerade solchen Menschen zu helfen, für die man häufig die letzte Station auf einem langen Leidensweg ist? Meiner Meinung nach nicht.
Natürlich kochen auch seriöse Heilpraktiker nur mit Wasser und können keine Wunder vollbringen – geschweige denn, dass sie solche versprechen. Im Gegensatz zur Schulmedizin stehen uns aber die unterschiedlichsten Diagnose- und Therapie-Wege offen, über die wir niemandem außer uns selbst und unserem Patienten Rechenschaft ablegen müssen. Vorausgesetzt, man gestattet sich selbst diesen Spielraum des Über-den-Tellerrand-Schauens; ohne darauf zu beharren, dass nur die üblicherweise in der eigenen Praxis angewandten Diagnose- und Therapieverfahren die einzig wahren sind.
In meiner Praxistätigkeit habe ich jedenfalls die Erfahrung gemacht, dass es DAS Therapieverfahren für jeden Patienten und jedes Leiden nicht gibt. Meine persönliche Konsequenz besteht deshalb darin, ggf. unterschiedliche Therapieansätze einzusetzen, die vielleicht nicht immer auf den ersten Blick zusammengehören bzw. zueinander passen. Wie so etwas in der Praxis aussieht, möchte ich einmal am Beispiel eines jungen Mannes beschreiben, der mich bereits vor einigen Jahren in meiner Praxis aufsuchte.
Andreas Müller (Name geändert), 28 Jahre, 80 kg bei 1,82 m Körpergröße, konsultierte mich im Herbst 2008, weil er bereits seit rund drei Jahren unter regelmäßig auftretenden Quaddeln litt. Dazu kamen ständig juckende Füße und Finger, sporadisch nachts auftretende handflächengroße juckende Herde mit unzähligen stecknadelkopfgroßen roten Pöckchen an den Oberschenkeln sowie Ein- und Durchschlafstörungen. Die Haut an den Füßen wies bereits irreversible rot- bis lilafarbene Verfärbungen auf, die auf ständiges heftiges Kratzen zurückzuführen sind.
Auf meine Nachfrage hin kratzte Müller sich immer dann, wenn er in Eigenregie testen wollte, ob er immer noch unter den Beschwerden litt und deshalb ab und an die Antihistaminika wegließ, die ihm sein Arzt verordnet hatte. Denn der Patient hatte nicht zuletzt Angst davor, vom Antihistaminikum abhängig zu werden. Auch, wenn das pharmazeutisch betrachtet zwar nicht möglich ist, fühlte sich Müller ja gewissermaßen süchtig danach, weil es ohne dessen Einnahmen sofort zu den beschriebenen Quaddeln usw. kam. Der Patient klagte des Weiteren über eine „unregelmäßige“ Verdauung, bei der Durchfälle und Verstopfungen einander nicht selten abwechselten.
Der Hautarzt hatte eine Urtikaria (Nesselsucht) diagnostiziert und Müller ein rezeptfreies Antihistaminikum verschrieben, von dem er täglich eine Tablette einnahm und das sämtliche Beschwerden (Quaddeln, Jucken usw.) zu mehr als 90 Prozent unterdrückte. Damit fand sich Müller auch zunächst ab, da er dachte, es handele sich um eine vorübergehende Episode. Erst nachdem er das Antihistaminikum zwei Jahre am Stück eingenommen hatte, wurde er ungeduldig und fasste den Entschluss, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Die Folge: ein eindringliches Gespräch mit seinem Arzt, woraufhin dieser einen 14-tägigen Krankenhausaufenthalt veranlasste.
Im Krankenhaus wurden dann weitere Untersuchungen veranlasst, die zudem zeigten, dass Müller eine deutlich vergrößerte Leber hatte, alle Leberwerte um das Zwei- bis Dreifache des Normwerts erhöht waren. Eine weiterführende Biopsie erhärtete außerdem den Verdacht einer übermäßig verfetteten Leber ohne etwaige maligne Auffälligkeiten. Um der Ursache der Urtikaria auf die Spur zu kommen, veranlassten die behandelnden Ärzte daraufhin eine Ausschlussdiät, in deren Rahmen der Patient während der ersten Woche lediglich gekochten Reis und Kartoffeln (ungesalzen), Reiswaffeln sowie additivfreien Tee und Wasser zu sich nehmen durfte. Das Antihistaminikum wurde gleichzeitig abgesetzt.
Daraufhin verschwanden die Hautbeschwerden zunächst komplett. In der zweiten Woche bekam Müller jeden Tag eine andere mögliche Beschwerdequelle „serviert“: Sprich am ersten Tag gab es nur Lebensmittel, die besonders viel Konservierungsstoffe enthielten, am zweiten Tag standen Emulgatoren auf der Speisekarte usw. Hautreaktionen: gleich Null.
Wirklich weiter brachte dieses Ergebnis jedoch niemanden, da die Urtikaria bereits einige Tage nach Beendigung des Krankenhausaufenthalts im gleichen Maß auftrat wie davor. Als nächsten Schritt empfahl der Hautarzt eine Magenspiegelung, wobei ein Helicobacter pylori festgestellt wurde, der daraufhin per Antibiotika ausgemerzt wurde. An der Urtikaria änderte das indes nichts. Müller kam daraufhin zu dem Schluss, dass er mit rein schulmedizinischer Behandlung nicht weiter käme, was ihn schließlich in meine Praxis führte.
Obwohl ich als gelernter Lebensmitteltechniker normalerweise zugegebenermaßen zunächst ebenfalls dem Lebensmittel-Ansatz nachgegangen wäre, dachte ich mir, dass die Lösung in diesem Fall woanders liegen musste. Die Anamnese ergab denn auch schließlich, dass etwas ganz anderes Auslöser der Urtikaria gewesen sein dürfte. Und zwar erzählte mir der junge Mann, dass er unmittelbar vor Ausbruch der Nesselsucht nach absolviertem BWL-Studium eine gut dotierte Stelle bei einer großen Luxemburger Bank angetreten hatte und dafür aus München ins grenznahe Trier gezogen war. Diese Entscheidung hatte er allein aus finanziellen Gesichtspunkten getroffen.
Privat sah es dagegen so aus, dass Müllers langjährige Freundin ungefähr zeitgleich zum Studium nach Stuttgart ging. Privat- und Berufsleben ließen sich also auf längere Sicht nicht miteinander vereinbaren. Auch war es auf Grund der Entfernung nicht möglich, die Freundin des Patienten in die Therapiegespräche einzubinden, was ich jedoch gerne getan hätte. Vor seinem Studium hatte Müller außerdem eine kaufmännische Ausbildung in einem kleinen Familienbetrieb absolviert, die weder vom Aufgabenfeld noch vom Betriebsklima mit seiner neuen Stelle zu vergleichen war.
Daraus zog ich den Schluss, dass die Urtikaria auch dadurch hervorgerufen worden sein könnte, dass der junge Mann zu viele offene Baustellen hatte. Beruflich, weil so viel Neues auf ihn einströmte; privat, weil er lange Zeit keinen Fuß in Trier fassen konnte, da er wann immer möglich zu seiner Freundin nach Stuttgart oder aber zu seiner Familie nach München pendelte und so keinen neuen Freundeskreis aufbauen konnte.
Ich entschied mich deshalb zu folgender therapeutischen Vorgehensweise:
1. Schritt: Darmsanierung + Ordnungstherapie
Nicht zuletzt, um die negativen Folgen der auf Grund der Helicobacter-pylori-Diagnose eingenommenen Antibiotika auf das Darmmilieu zu beheben, entschied ich mich zunächst für eine siebenwöchige Darmsanierung. Diese führte der Patient in Eigenregie mittels des von mir verordneten Präparats „Mutaflor mite“ (Ardeypharm) gemäß der Packungsbeilage durch. Ich riet dem Patienten außerdem, ein Entspannungsverfahren zu erlernen und regelmäßig zu üben, was dieser in Form von Autogenem Training umsetzte. Die weiteren gesundheitlichen Ratschläge (neben einer obligatorischen Ernährungsberatung) lauteten, den Alltag bestmöglich zu strukturieren und zu entschleunigen sowie künftig natürlichen Kosmetika den Vorzug vor konventionellen Produkten zu geben – nicht nur zur Behandlung der Nesselsucht, sondern auch zur Schonung der Leber. Daraufhin verbesserten sich die Beschwerden des Patienten insofern, als dass er nur noch alle 1-2 Tage zum Antihistaminikum greifen musste.
2. Schritt: Eigenbluttherapie + Ohrakupunktur + Phönix Basiskonzept Haut
Im Anschluss an die Darmsanierung führte ich eine umstimmende Eigenbluttherapie durch. Dazu nahm ich dem Patienten insgesamt 12 Mal Blut ab, das ich anschließend mit jeweils 1 Ampulle des komplexhomöopathischen Grundregulationsmittels „Juv 110 Injektionslösung“ (Phönix) mischte und dann in den Gesäßmuskel reinjizierte: 1 mal wöchentlich, an den ersten 6 Terminen jeweils 1 ml Blut, an den 6 verbleibenden Terminen jeweils 2 ml.
Parallel führte ich an diesen 12 Terminen folgende Ohrakupunktur durch, die der innerlichen Entkrampfung des Patienten dienen sollte: Am dominanten Ohr (in diesem Fall rechts, da der Patient Rechtshänder ist) alle Punkte der Omegaachse sowie LTSP- und Bourdiol-Punkt, am linken Ohr lediglich den Valium-Punkt.
Ebenfalls parallel dazu verschrieb ich dem Patienten das „Phönix Basiskonzept Haut“, das ich bereits bei anderen Hautbeschwerden (Akne usw.) und Patienten erfolgreich eingesetzt hatte: Dieses besteht aus den drei Komplexhomöopathika „Sulfur Phcp“, „Sulfur jodatum Phcp” und „Calcium sulfuricum Phcp“ in Globuli-Form und wurde vom Patienten in stetem dreitägigem Wechsel eingenommen. Ein zentrales chemisches Element dieses Konzepts ist der Schwefel, der in der Homöopathie u.a. als Resorptionsmittel zur Behandlung entzündlicher Hauterkrankungen eingesetzt wird. Weitere Hinweise auf den vielversprechenden Einsatz von Schwefel lieferten außerdem die gestörte Verdauungsfunktion des Patienten sowie die vorhandene Lebervergrößerung. Schließlich zählen eingeschränkte Leberfunktion und Verdauungsstörungen aus naturheilkundlicher Sicht zu oft zu beobachtenden Folgen chronischer Hauterkrankungen.
„Sulfur jodatum Phcp” enthält darüber hinaus das Halogen Jod, das in der Homöopathie zur Unterstützung des Lymphsystems eingesetzt wird. Und zu den im „Calcium sulfuricum Phcp“ enthaltenen homöopathischen Wirkstoffen gehört des Weiteren das Erdalkalimetall Calcium, das gemäß homöopathischer Lesart zur Linderung bzw. Heilung chronischer Hautkrankheiten dient.
Fazit: Mein Behandlungskonzept sollte den Körper zum „Umdenken“ anregen, sprich ihn dazu veranlassen, auf künftige Nesselschübe zu verzichten. Neben der Haut sollten auch die Leber-, Verdauungs- und Schlafstörungen sowie die innere Unruhe in die Therapie einbezogen werden. Mein Fazit nach insgesamt einem halben Jahr Behandlungsdauer sieht nunmehr so aus, dass der Patient heute nur noch sehr selten unter Nesselschüben leidet. Dabei handelt es sich noch um vereinzelte Quaddeln im Hand- und Fußbereich, die Müller (auf seine Idee hin) mit einem Azzaron-Stift aus der Apotheke betupft, der normalerweise für Mückenstiche usw. gedacht ist – woraufhin der Juckreiz binnen einiger Minuten nachlässt und die Quaddeln verschwinden.
Die Leberenzyme AST (früher GOT) und ALT (GPT) sind zwar immer noch leicht erhöht, allerdings nur noch um durchschnittlich das Anderthalbfache der normalen Werte, was in regelmäßigen Abständen kontrolliert wird. Der Wert der γ-Glutamyltransferase (Gamma-GT) liegt mittlerweile im Normbereich. Die Leber ist zwar noch leicht vergrößert (Stand Oktober 2013, letzter Patienten-Checkup), allerdings deutlich weniger, die Verdauungsbeschwerden sind dagegen komplett verschwunden. Auch die Schlafstörungen wurden insofern gelindert, dass der Patient zwar immer noch gelegentlich einschläft, aber nicht mehr nachts aufwacht: Weder um zu grübeln, noch auf Grund des Juckens der ursprünglich sporadisch nachts auftretenden handflächengroßen juckenden Herde mit den zahlreichen stecknadelkopfgroßen roten Pöckchen, unter denen Müller gar nicht mehr leidet.
Johannes W. Steinbach
Heilpraktiker und Medizinjournalist mit eigener Praxis in Konz, mehrfacher Buchautor
Naturheilpraxis Steinbach
Schillerstr. 18, 54329 Konz
Tel.: 06501 - 920 915 0
Zurück zur Übersicht "Fallstudien"
"Nach aktueller Rechtslage (Stand 9/2023) ist lediglich die homöopathische Eigenbluttherapie erlaubt. Nach § 4 Abs. 26 AMG ist ein homöopathisches Arzneimittel ein Arzneimittel, das nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziellen gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist.
Entnahme von Blut bei Patienten, Mischen des Blutes mit Ozon, anschließende Reinjektion.
Entnahme von Blut bei Patienten, Mischen des Blutes mit homöopathischen Fertigarzneien, anschließende Reinjektion.
27.04.2015