Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Kein Zwangsgeld zur Durchsetzung der Corona-Impfung
Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27. April 2022 (1 BvR 2649/21) die einrichtungsbezogene Impfpflicht bestätigt hat, gibt es nun zwei interessante Gerichtsentscheidungen.
Einzelfallentscheidung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts (VG) vom 13. Juni 2022 (Az. 1 B 28/22):
Das Gericht hatte einer klagenden Zahnarzthelferin teilweise Recht gegeben und erklärte die Praxis der Gesundheitsämter für rechtswidrig, Immunitätsnachweise zu fordern und Bußgelder anzudrohen. Die Nachweispflicht habe lediglich einen vorbereitenden Charakter für ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot und könne nicht isoliert mit einem Verwaltungsakt (= indirekter Impfzwang) durchgesetzt werden. Worüber das Verwaltungsgericht nicht zu entscheiden hatte, war, ob bei unterbliebenem Nachweis ein Bußgeld (§73 Abs. 1a Nr. 7h IfSG) verhängt werden kann. Diese Frage war nicht streitgegenständlich.
Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburgs vom 22. Juni 2022 (Az. 14 ME 258/22):
Der Arbeitgebende einer Frau aus Diepholz hatte den Landkreis informiert, dass die Mitarbeiterin nicht geimpft sei. Daraufhin wurde der Mitarbeiterin ein Zwangsgeld angedroht, wenn sie nicht der Verfügung nachkomme, innerhalb einer bestimmten Frist eine Erst- bzw. Zweitimpfung nachzuweisen. Das OVG entschied: „Die Vorgehensweise des Landkreises sei im Ergebnis wegen eines Verstoßes gegen die vom Gesetzgeber geschützte Freiwilligkeit der Impfentscheidung voraussichtlich rechtswidrig und nicht durch §20a Abs. 5 Satz 1 IfSG gedeckt.(…) Die verkürzt auch als einrichtungsbezogene Impfpflicht bezeichnete einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht begründe nämlich gerade keine Verpflichtung der betroffenen Personen, sich gegen das Corona-Virus impfen zu lassen. Faktisch stelle die Regelung die Betroffenen vielmehr lediglich vor die Wahl, entweder ihre bisherige Tätigkeit aufzugeben oder aber in die Beeinträchtigung ihrer körperlichen Integrität durch die Impfung einzuwilligen.“
Was bedeutet das konkret?
Zwangsgeld nein, Tätigkeitsverbot ja
Die Gesundheitsämter können sehr wohl bei unterbliebenem Nachweis ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot aussprechen. Das Urteil verneint also zwar das Recht der Gesundheitsämter, Nachweise „zu erzwingen“, relativiert aber nicht die einrichtungsbezogene Impfplicht.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht (§20a IfSG) tritt am 1. Januar 2023 außer Kraft.
Quellen und Links:
Zwang zur Vorlage eines Impfnachachweises „offensichtlich rechtswidrig“:
www.lto.de/recht/nachrichten/n/vg-schleswig-holstein-beschluss-1b2822-impfpfllicht-gesundheitsberufe-zahnarzthelferin-bussgeld-impfnachweis-ifsg
Die Verpflichtung in bestimmten Einrichtungen tätiger Personen, eine Impfung gegen das Corona-Virus nachzuweisen, kann nicht mittels eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden:
https://oberverwaltungsgericht.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/die-verpflichtung-in-bestimmten-einrichtungen-tatiger-personen-eine-impfung-gegen-das-corona-virus-nachzuweisen-kann-nicht-mittels-eines-zwangsgeldes-durchgesetzt-werden-212765.htmlPressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 42/2022 vom 19. Mai 2022:
www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/bvg22-042.html
Stand: 30.06.2022