Arzneimittelherstellung in HP-Praxen – Regierungspräsidium Stuttgart führt vermehrt Routineinspektionen durch
Als Heilpraktiker:in haben Sie die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Arzneimittel – zur ausschließlichen persönlichen Anwendung bei einem bestimmten namentlich bekannten Patienten – unter Ihrer unmmittelbaren fachlichen Verantwortung herzustellen. Voraussetzung ist, dass Sie den Patienten vorab untersucht und auch die Indikation für das jeweilige Arzneimittel gestellt haben.
Im Prinzip handelt es sich in der Heilpratikerpraxis dabei um Mischinjektionen und -infusionen, weil diese z.B. den Magen-Darm-Trakt umgehen sollen, seltener um Arzneimittel zur inneren oder äußeren Anwendung (z.B. Salben) oder die Herstellung von homöopathische Blutzubereitungen ab der D4, die immer noch möglich ist, wobei beachtet werden sollte, dass Sie orale Präparate lieber in der Apotheke herstellen lassen sollten, da Sie diese ja lediglich in der Praxis verabreichen, aber nicht dem Patienten mit nach Hause geben dürfen.
Wichtig ist, dass Sie patientenindividuelle Arzneimittel nach anerkannten pharmazeutischen Regeln herstellen, keine bedenklichen oder verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel und/oder andere Ausgangsstoffe verwenden und während des gesamten Herstellungsprozesses einwandfreie Hygiene gewährleisten können. Ihre Apotheke haftet nur für die Qualität in Bezug auf Menge und Keimfreiheit der Ausgangsstoffe, nicht dafür, was Sie daraus machen.
Vor dem Herstellungsprozess ist deshalb eine Risikobewertung (Art und Dauer der Applikation, Komplexität der Herstellung, Dosierung, Qualität der Ausgangsstoffe, individuelle Patientenvulnerabilität, Raumbedingungen) erforderlich. Darüber hinaus müssen Sie überlegen, welche Fehler wie wahrscheinlich auftreten können und wie Sie diese frühzeitig entdecken und kontrollieren können bzw. auch eventuelle Folgen für den Patienten abschätzen, also ein Risikomanagement durchführen.
Ihr Hilfsmittel für Ihre Risiko-Nutzen-Abwägung ist die „Auslegungshilfe für die Überwachung der erlaubnisfreien Herstellung von sterilen Arzneimitteln, insbesondere Parenteralia, durch Ärzte oder sonst zur Heilkunde befugte Personen gemäß § 13 Abs. 2b Arzneimittelgesetz (AMG)“,die Ihnen auch im Internen Mitgliedsbereich unter „Praxisführung → Rechtsinformationen/Rechtsgutachten“ zur Verfügung steht.
Klingt kompliziert, ist sie aber nicht unbedingt. In der Regel ist davon auszugehen, dass Sie in Ihrer Praxis lediglich Arzneimittel herstellen, die zur Risikoklasse „Niedrig“ gehören, eventuell auch „Mittel“, wenn Sie besonders vulnerable Patienten behandeln.
Risikoklasse Niedrig bedeutet „Herstellung aus sterilen Fertigarzneimitteln mit bekannter Kompatibilität unmittelbar vor der Anwendung (< 1 h) und Applikation ausschließlich i.m., s.c. oder i.v. als Injektion oder Kurzzeitinfusion“. Wer hierbei die Empfehlungen der KRINKO beachtet, um eine Kontamination während der Herstellung zu verhindern, ist schon mal auf einer recht sicheren Seite.
Da v.a. das Regierungspräsidium Stuttgart derzeit vermehrt Routinekontrollen durchführt, empfehlen wir Ihnen, sofern Sie angezeigt haben, dass Sie in Ihrer Praxis Arzneimittel erlaubnisfrei gemäß §13 Abs. 2b Arzneimittelgesetz (AMG) herstellen, Ihre Herstellungsprozesse und Ihr Hygienemanagement zu überprüfen.
Fragen und Antworten aus unseren internen Foren zum Thema:
Frage:
Heilpraktiker:innen dürfen nach §13 (2b) AMG Arzneimittel (Mischinjektionen/Mischinfusionen) in ihrer Praxis zum Zwecke der persönlichen Anwendung bei einem bestimmten Patienten herstellen und müssen dies der zuständigen Behörde anzeigen. Die Risikobewertung ist in der Regel gering. Müssen abweichend von den normalen KRINKO-Richtlinien für die Händehygiene, Flächenhygiene, Hygiene bei Punktionen/Injektionen etc. noch irgendwelche besonderen Hygienemaßnahmen beachtet werden, wie
• die Herstellung in einem separaten Raum, oder reicht dafür ein definierter Arbeitsbereich/eine Arbeitszeile aus?
• eine mikrobiologische Prüfung (obwohl die Mischpräparate ja gar nicht gelagert, sondern sofort angewendet werden)?
Reicht außerdem zur Qualitätskontrolle die Überprüfung eines „Herstellungsprotokolls“ mit einer „Herstellungsanweisung“ aus?
Antwort:
Die Risikobewertung richtet sich in der Regel auch nach der Lokalisation der Applikation und dem Risiko für Komplikationen. Es gelten immer die Empfehlungen der KRINKO als aktueller Stand der medizinischen Wissenschaft in Bezug auf die Patientensicherheit. Daneben gelten natürlich Empfehlungen/Richtlinien des Arbeitsschutzes. Ich würde Sie bitten, genau zu erläutern, inwieweit patientenbezogene Infusionen vor Applikation modifiziert werden. Ein definierter Arbeitsbereich ist ausreichend. Mikrobiologische Kontrollen sind meiner Einschätzung nach bei unmittelbarer Applikation und adäquater Verwendung nicht notwendig. Viele Grüße, Ihr Dr. Kramer
Frage:
Darf ich als Heilpraktiker noch Procain/Lidocain mit homöopathischen Mitteln mischen und direkt intrakutan injizieren, oder ist mir das Mischen untersagt?
Antwort:
Nach §1 Nr. 1. Arzneimittelverschreibungsverordnung (www.gesetze-im-internet.de) in Verbindung mit Anlage 1 sind Lidocain und auch Procain verschreibungspflichtig, ausgenommen Arzneimittel zur parenteralen Anwendung ohne Zusatz arzneilich wirksamer Bestandteile in einer Konzentration bis zu 2 % zur intrakutanen Anwendung an der gesunden Haut im Rahmen der Neuraltherapie. Unter dieser Voraussetzung dürfen Lidocain und Procain von Ihnen in der Behandlung während der Sprechstunde eingesetzt werden.
Wenn Parenteralia nicht verschreibungspflichtig sind, können sie von Heilpraktikern ihren Patienten injiziert und auch mit anderen Arzneimitteln gemischt werden. Bei Arzneimittelmischungen ist regelmäßig die Arzneimittelhaftung der Hersteller ausgeschlossen, weil ein neues Arzneimittel hergestellt wird, was dann wiederum zu einer gesteigerten Haftung der Heilpraktiker führt. Bei Arzneimittelmischungen sind deshalb regelmäßig besondere Sorgfalt und Vorsicht geboten. Das gilt besonders, wenn synthetisch definierte Arzneimittel mit homöopathischen Arzneimitteln gemischt werden. Außerdem ist die Herstellung nach § 67Abs. 2 AMG (www.gesetze-im-internet.de) der Arzneimittelaufsichtsbehörde anzuzeigen. Ihr Dr. F. Stebner, RA
Stand: 11.05.2023
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